In Baden angekommen

von Klaus Geggus, Hubert Daul

Weingarten wird „badisch“
Als kurpfälzische Exklave an der Pforte zur badischen Markgrafschaft Durlach gelegen, war es um Weingarten bis zum Ende des 18. Jahrhunderts nicht allzu gut bestellt. Dies änderte sich erst mit der Neuordnung des alten Reiches durch den Reichsdeputationshauptschluss im Jahre 1803. Dieser bedeutete nicht nur das Ende des fast 1000 Jahre alten „Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation“ im Jahr 1806, sondern führte auch zu einer Neuordnung der Landkarte Mitteleuropas. Betroffen von der Umgestaltung war auch der deutsche Südwesten. Geistliche Gebiete wurden „säkularisiert“ (verweltlicht), kleinere weltliche Herrschaften wurden „mediatisiert“, d.h. größeren Territorien ein- und untergeordnet.

Als Kompensation für linksrheinische Verluste erhielten sowohl der Markgraf von Baden als auch der Herzog von Württemberg territoriale Entschädigungen. So sprach Napoleon die rechtsrheinische Kurpfalz, zu der Weingarten gehörte, der Markgrafschaft Baden zu und erhob sie zum Großherzogtum. Doch der Königstitel, wie ihn die Herzöge von Bayern und Württemberg erhielten, blieb dem Großherzog verwehrt. Als Gegenleistung mussten die Fürsten der neu gegründeten „Rheinbundstaaten“ Soldaten für Napoleons Russlandfeldzug stellen. Darunter waren auch mehrere junge Männer aus Weingarten. Nur einer von ihnen, mit Namen Zeh, kehrte nach der vernichtenden Niederlage Napoleons zurück.

Großherzog Karl Friedrich von Baden verstand es, durch umfangreiche Reformen die Bevölkerung der bislang unterschiedlichen Landes- und Kirchenherren zu einem neuen Ganzen zusammenzufassen. Steuerprivilegien verschwanden, eine allgemeine Volksschulpflicht und der napoleonische „Code Civil“ als Landrecht wurden eingeführt.

Die badische Politik der Liberalisierung duldete keine Todesstrafe mehr. Deshalb war der Galgen im Gewann Galgenberg an der Grenze zwischen Weingarten und Untergrombach überflüssig geworden und wurde abgerissen. Einige Säulenteile wurden in Scheunen und Ställen eingebaut, ein Sockel dient im Sallenbusch-Brunnen als Brunnenstock, eine Säule ist im Turmmuseum ausgestellt.

Nach dem Ende der Herrschaft Napoleons 1815 setzte in Weingarten ein wirtschaftlicher Aufschwung ein. Im Jahr 1823 wurde die Marktbrücke, über die bis heute der Verkehr auf der B3 durch den Ort geführt wird, durch den badischen Ingenieur-Oberst Johann Gottfried Tulla erbaut. In seiner gesamten Geschichte war Weingarten als bekannter und reicher Marktflecken schon immer eng mit dem Weinbau verbunden.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wohnten im Ort ca. 2000 Einwohner. 120 Handwerksbetriebe, davon allein 14 Schuster, trugen ihren Teil zum Wohlstand im Ort bei. Zu den zahlreichen Markttagen  kamen Menschen aus der ganzen Umgebung, um die verschiedenen Güter des täglichen Bedarfs einzukaufen. Neben den Märkten entstanden in jener Zeit auch die so genannten „Tante Emma-Läden“, die viele Jahrzehnte und bis weit in das vergangene Jahrhundert hinein ein Bestandteil auch unseres Ortes waren. Der Ausbau der Infrastruktur, die Motorisierung der Gesellschaft, der Bau von riesigen Einkaufszentren und das veränderte Einkaufsverhalten der Konsumenten führten ab den 1960er Jahren bekannterweise zu ihrem Aussterben.

Schuster Josef Wolf in der Engelstraße

machte sich als Heimatlyriker einen Namen.

„Tante Emma-Laden“ von Franz und Klara Lautenschläger

an der Ecke Körnerstraße / Bahnhofstraße

Küferei Gakenheimer in der Bahnhofstraße.

Der Küferberuf war für das Weindorf wichtig.

 

Ein weiteres Projekt von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung des Landes und unseres Ortes war der vom Badischen Landtag 1838 genehmigte Bau einer staatlichen Eisenbahn von Heidelberg über Karlsruhe bis zur Schweizer Grenze. Die Inbetriebnahme der Strecke über Weingarten nach Karlsruhe konnte bereits am 10. April 1843 erfolgen. Dadurch und durch den Bau und Betrieb eines Bahnhofes in Weingarten wurden auch für Ortsansässige neue  Arbeitsplätze geschaffen.

Doch auch diese entfielen Ende des 20. Jahrhunderts, weil sich die Deutsche Bahn schrittweise im Personennahverkehr aus der Fläche zurückgezogen hatte und Weingarten an das Stadtbahnnetz angebunden wurde.

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